Von der Saar ans Meer und zurück - 1000 km Fahrrad

Harald Rauch

Hallo allerseits!

Hier ein kleiner Bericht über meinen ersten zu Ende gefahrenen 1000 km Brevet.

Am Donnerstag 14. Juni 2018 morgens, um kurz nach 8.00 Uhr machten sich in Wallerfangen immerhin 28 Audax Rondonneure auf den Weg zum zweiten 1000 er Brevet von ARA Saarland, darunter ganze 2 Frauen (Kerstin und Aynur, wer sonst?) und außer mir nur noch ein weiterer Saarländer (Johannes).  Stefan, der Organisator von ARA  Saarland, konnte leider wegen Erkrankung diesmal nicht mitfahren.

Im Gegensatz zum letzten Jahr war uns der Wettergott wohlgesonnen, wir starteten bei blauem Himmel und ca. 13 Grad C bei leichtem Gegenwind gen Westen.

Wie immer ging´s zunächst durch bekanntes Terrain durchs sanft hügelige  Lothringen, Vorbei an den Industriebrachen um Thionville bis zur ersten Kontrolle in Douaumont bei Verdun. Die unzähligen Kreuze der wahnsinnigen Schlacht von Verdun jagen einem immer wieder kalte Schauer über den Rücken (letztes Jahr im Dauerregen wars noch deprimierender).

Jetzt gabs die erste Kaffeepause, war ja auch Zeit nach 125 km oder 12 % der Strecke!

Weiter geht´s, mein "Express" mit 8 Leuten rollt gut und bis Reims halten wir einen knapp 28 er Schnitt. Hier gibt´s eine etwas längere Pause, in der wir uns mit Sandwich und dem obligatorischen cafe au lait für die erste Nacht stärken. Leider fällt meine schöne Gruppe auseinander, 2 wollen gleich weiter, da sie irgendwo hinter Reims ein Zimmer gebucht haben, zwei andere fahren mit , so dass ich nur noch in einem 4er Grüppchen bin, ausgerechnet mit den 3 schnellsten der Gruppe, Daniel aus Worms und 2 Herren aus Soest, wobei der Soester Kollege, der fast immer die "Lok" macht, noch 3 Gruftijahre mehr auf dem Buckel hat als ich, es ist also keine Frage des Alters... Auf den nächsten ca30 km kann ich noch dranbleiben, aber an einer längeren Steigung muss ich abreißen lassen.  Also wieder alleine durch die Nacht, aber das kenne ich ja schon vom 600 er und vom 1000 er im letzten Jahr. Macht aber nix, ich fürchte mich nicht allein im Dunkeln. Die restlichen 3/4 der Strecke fahre ich also wieder alleine.

Und wieder strahlen Jupiter, Venus, Mars, Antares, Arktur, Capella, Sirius und wie sie alle heißen um die Wette vom wolkenlosen Himmel. Weiter geht´s durch verschlafene Dörfer, endlose Felder und Wälder, ab un zu hoppelt ein Kanickel über die Straße, hie und da huscht eine Katze rüber, auch mal ein Reh, und im Gebüsch raschelt , quakt und zirpt es wie im Dschungel.  Solche Nachtdurchfahrten sind durchaus faszinierend, und mit dem Akkublock hält auch die Lampe zwei Nächte locker durch. Dann wird´s Zeit für ein kurzes Powernapping, etwa 30 min. auf einer Holzbank, und weiter geht´s. Beim nächsten Kontrollpunkt an einer 24 Std geöffneten Autobahnraststätte treffe ich Pavel, mit dem ich schon mehrmals gefahren bin, aber er will sich erst mal hinlegen. Also kurz ein pappiges Sandwich, eine Cola und einen Automatencafe rein (Koffein ist beim Brevetfahren Gold wert!!) und weiter radeln nach WNW, langsam wird´s hell, irgendwo in  der Picardie ein zweites Powernapping, nachdem ich schon Schlangenlinien fahre....es ist erstaunlich, wie das wirkt, 20-30 min dösen und du bist wieder fit!!!

In Formiere, ein etwas größerer Ort, vielleicht so etwa wie Blieskastel, gibt´s endlich Bäckereien und Cafes, also schnell 2 Süßstückchen geholt und die "Koffeinspeicher" aufgefüllt.

Jetzt rollts, z. T. auf einem schönen Radweg auf ehemaliger Bahntrasse unaufhaltsam Richtung Meer,....dachte ich jedenfalls, bis ich von vorne ein mir bekanntes Geräusch vernahm, so ungefähr "PFFFFFFFFFFFFFFFFFF".  OK, der erste Platte (2 weitere sollten noch folgen). Also Schlauch wechseln und dann rein nach Dieppe an der Alabasterküste!!! Kurz 2-3 Fotos mit dem Handy, eine Portion Spaghetti gegessen und weiter Ri. OSO, ab hier.....Rückenwiiiiind!!!! Kurz vor Le Treport gings nochmal runter an die Küste, hier ist etwa Halbzeit. Du darfst aber nicht denken, "oh je, noch 500  km vor dir", sondern besser "Super, ich hab schon die Hälfte!!!"

Das hilft, ist halt alles irgendwie Kopfsache.

Und dann wieder das übliche auf und ab durch dünn besiedeltes, ländliches Gebiet.

Kurz vor Amiens Platter Nr.2 ,dann wieder schöner Radweg, Pizza in Amiens, wieder Kontrollpunkt an einer Autobahnraststätte,hier treffe ich überraschend Daniel aus Worms (der von der schnellen Truppe), er hat sich ein Zimmer genommen, weil ihm seine Warnweste, die er wohl nicht richtig festgezurrt hatte, ins Schaltwerk geraten ist und selbiges zerstört hat. Er schenkt mir noch 2 Reserveschläuche, die er ja jetzt nicht mehr braucht, und einen davon sollte ich am nächsten Tag noch wechseln müssen...

Die zweite Nacht bricht an, ein paar Wolken verdecken den Sternenhimmel teilweise, aber es ist recht mild, nur so gegen 5 Uhr wird´s etwas frisch, vorher noch ein diesmal etwas längeres Powernapping (ca 90 min)auf einer Wiese, begleitet von einem mehrstimmigen Froschkonzert, meine Rettungsfoliendecke hält mich warm und das feuchte Gras ab. Beim nächsten Kontrollpunkt in Marle ist es kurz nach 5, da kriegst du natürlich nirgends deinen Stempel, also mache ich ein Selfie mit der Kirchenuhr.  Jetzt am dritten Morgen geht´s doch etwas zäh, ich bin müde und das Sitzen auf dem Sattel wird unbequem, die Handballen tun weh, das Kreuz eh....ich bin halt keine 30 mehr. aber nach einem Frühstück mit...wie gehabt...geht´s wieder viel besser. Jetzt streift die Strecke NO von Reims den 600er und den einen oder anderen Ort erkenne ich wieder. Die Sonne verkriecht sich hinter Wolken, gegen Mittag schauert es zum Glück nur kurz. Ich erreiche die Maas und damit wieder vertrautes Terrain. Aber es geht immer auf und ab. Lothringen hat zwar keine hohen Berge, es geht kaum über 300 m, aber die Steigungen können ganz schön giftig sein, und vor allem in unerwarteter Menge auftreten...

Letzte Kontrolle in Stenay, der obligatorische Cafe au lait, es wird schwül, immer noch hügelig und meine kalkulierte Ankunftszeit verschiebt sich immer weiter nach hinten, aber beim Brevet ist die Zeit ja nicht das Maß der Dinge. Gegen Abend wird´s dann angenehmer, die Sonne strahlt, die Schwüle ist weg und liegt ein wunderschönes Licht über der Landschaft. Ab Audun la Roman glaube ich zu fliegen, bergab mit Rückenwind, durch die häßlichen Industrieorte bei Thionville mit viel Verkehr und nervigen Lieblingsfeinden auf 4 Rädern.... (und Platter Nr. 3...) Aber das Ziel kommt unaufhaltsam näher, jetzt noch das Cannertal queren und die letzten Anstiege bei Veckring und zum Schluß noch auf den Saargau hoch geht´s plötzlich fast wie von alleine, und das nach 1000 km....ist halt alles, ach ja, das hatten wir ja schon.  Dann noch die schöne Schlußabfahrt von St. Barbara runter.!!! Gegen 20.30 Uhr am Sa. erreiche ich wieder den Campingplatz in Wallerfangen nach gut 60 Std, 1050 km und 7250 Hm., wo sich bereits eine Handvoll Rondonneure eigefunden haben und nach und nach weitere ankommen.

Jetzt erst mal ein aber sowas von wohlverdientes Weizenbier!!!

Und eine feine Grumbeersupp (für alle Nichtsaarländer: Kartoffelsuppe) ..und, Stefan, hast du den feinen Käsekuchen wirklich selber gebacken?? Kompliment!!


Fazit: Hat Spaß gemacht trotz aller Strapazen und Widrigkeiten!!!!

Danke an Stefan und Andrea von ARA Saarland für die tolle Organisation und ich freue mich schon auf die nächste Brevetsaison mit dem absoluten Highlight Paris-Brest-Paris!!!